Lektion 9, Übung 7, Vier Interviews, Seite 112, Senioren treffen

Senioren treffen

Sie hören jetzt Interviews, die ein Student in Franfurt gemacht nat. Er studiert Soziologie, und will seine Examensarbeit über die Lebenssituation alter Leute schreiben. Die Interviews hat er in einem Altersheim gemacht. Dort treffen sich auch alte Menschen, die nicht dort wohnen.

Darf ich Sie fragen, welchen Beruf Sie hatten, bevor sie in Rente gegangen sind?

Ich was Busfahrer also bei einer Privatfirma [die Firma] nicht bei der Stadt. Urlaubsfahrten haben wir gemacht nach Frankreich, Italien, Griechenland. Ich war eigentlich überall in Europa. Ich hatte einen schönen Beruf, interessant. Ich habe wirklich viel gesehen, aber dann habe ich mit achtundfünfzig Jahren aufgehört. Mein Herz war nicht mehr in Ordnung. Das wäre zu gefährlich gewesen, wenn ich den Bus fahre mit vierzig oder fünfzig Urlaubern, und dann macht das Herz plötzlich nicht mehr mit.

Ja, das ist klar. Wie alt sind Sie denn jetzt?

Ich bin jetzt siebenundsechzig. Ja, das sind bald zehn Jahre, daß ich nicht mehr arbeite. Am Anfang war es schon sehr schwer, auch wegen der kleinen Rente. Ich habe nur siebenhundert Euro in Monat. Davon kann man kaum leben. Es ist ja alles so teuer, und wenn man nicht verheiratet ist, da geht man zum Essen schon mal ins Restaurant, und dann bin ich vor zwei Jahren hier ins Altersheim gezogen. Ich werde ja auch nicht jünger, und dann ist auch schneller ein Artzt da, wenn ich Probleme mit dem Herz habe.

Darf ich Sie auch etwas fragen? Sie sehen noch so jung aus. Sind Sie auch schon Renterin?

Ja, schon seit drei Jahren. Mit sechzig habe ich aufgehört zu arbeiten. Jetzt bin ich dreiundsechzig. Die meisten Leute denken, daß ich noch jünger bin.

Kommen Sie oft hierher?

Ja, jede Woche. Ich brauche einfach ein bisschen Unterhaltung, wissen Sie. Als ich noch gearbeitet habe, da war das ja kein Problem. Da war immer jemand, mit dem man reden konnte, und mein Man ist auch schon so lange tot. Der ist schon vor zwanzig Jahren gestorben.

Hmm. Da leben Sie jetzt allein?

Nein, nein, ich wohne bei meiner Tochter, aber die ist den ganzen Tag nicht zu Hause, und abends muß sie auch oft noch arbeiten. Sie ist Journalistin, wissen Sie. Aber ich will mich nicht beschweren. Es geht mir ganz gut, und wir verstehen uns auch gut meine Tochter und ich.

In welchem Beruf haben Sie eigentlich gearbeitet?

Ich war Krankenschwester, aber auch erst seit mein Man tot ist. Die Ausbildung hatte ich schon vor unserer Heirat. Aber als meine Tochter kam, da habe ich aufgehört. Es ist schon ganz gut, daß ich dann wieder gearbeitet habe, auch wegen der Rente. Neunhundert Euro bekomme ich. Das ist nicht schlecht.

Darf ich Sie fragen, wie lange Sie schon Rentner sind?

Das sind jetzt fünf. Nein, Moment, das sind jetzt sechs Jahre. Ich war dreiundsechzig, als ich in Rente ging, und jetzt bin ich neuundsechzig. Ja, sechs Jahre. Ich war ja Automechaniker, aber die Werkstatt gibt es nicht mehr. Da steht jetzt ein Supermarkt. Ich hätte schon gerne noch ein paar Jahre gearbeitet, aber die Firma war ja kaputt, und wer nimmt schon ein Automechaniker mit dreiundsechzig?

Haben Sie denn eine gute Rente?

Na ja, viel ist es nicht. Achthundert Euro habe ich in Monat, aber das reicht schon. Wenn man alt ist, braucht man ja nicht so viel; Essen, Trinken, mehr brauchen wir ja nicht, und die Miet ist auch nicht so teuer.

Wohnen Sie hier in der Nähe?

Nur zwei Strassen weiter, ganz in der Nähe. Wir haben eine kleine Zweizimmerwohnung. Da wohnen wir seit schon vierunddreißig Jahren, meine Frau und ich. Ins Altersheim wollen wir nicht. Wir sind ja noch gesund. Das ist schon besser so, wenn man seine eigene Wohnung hat, wenn man alt ist, will man da bleiben, wo man die Menschen kennt, und wo man Bekannte hat. Das ist schon besser so.

Da haben Sie Recht. Und Sie? Sie sind auch nur zu Besuch hier, glaube ich. Gefällt es Ihnen hier?

Oh ja, ich komme gern hierher. Es ist nicht gut, wenn ein alter Mensch zu viel allein ist. Immer alein in der Wohnung, das ist nicht gut. Man muß andere Menschen treffen, sonst denkt man so viel an früher.

Wie alt sind Sie eigentlich, wenn ich fragen darf?

Zweiundsiebzig bin ich jetzt. Ja, zweiundsiebzig. Letzte Woche hatte ich Geburtstag. Na ja, so ist das. Früher war ich Lehrer, ein ganzes Leben lang in der Schule. Bis fünfundsechzig bin ich in die Schule gegangen. So lange arbeiten, das macht ja heute auch keiner mehr. Und dann, und dann wollten wir noch so viel zusammen machen, meine Frau und ich, viel reisen und ins Theater gehen. Als Lehrer hat man ja im Alter keine Probleme mit dem Geld, tausendvierhundert Euro, das ist mehr als ich brauche, und dann ist meine Frau schon nach einem Jahr gestorben. Ja, ja so ist das. Zwei Tage war sie im Krankenhaus, und dann hat mich der Arzt angerufen, daß sie gestorben ist. Ja, das war vor sechs Jahren. Ich bin immer noch in unserer alten Wohnung. Eigentlich ist sie zu groß für mich allein, aber ich will da nicht weg.